Ausgetanzt

Durchwachsene Saison für Grün-Gold

Die Bundesliga endet mit einem Sieg des Grün-Gold-Club, ändert aber nichts an einer merkwürdigen Saison. Kapitän Kai Tausch ausgezeichnet.

Die Erleichterung war allen Beteiligten anzusehen. Letztes Bundesligaturnier – erster Sieg für die Lateinformation des Grün-Gold-Club Bremen. Doch ein richtiges Heimspiel war es nicht für die Mannschaft von Trainer Albanese. Die rund tausend Zuschauer in Halle 7 auf der Bürgerweide begeisterten sich in fairer Weise für alle gezeigten Leistungen. Und auch in der Beurteilung durch die Wertungsrichterriege hatte man keinen Fürsprecher aus dem eigenen Landesverband. Der für den LTV Bremen an der Fläche stehende Jörg Frebe zog gemeinsam mit seiner Berliner Kollegin Ursula Stiller für Bremen die Zwei, für den Rivalen aus Velbert die Eins. „Geschenkt“, meinte Grün-Gold-Chef Jens Steinmann, „so kann wenigstens keiner behaupten, wir hätten nur aufgrund des Heimvorteils gewonnen.“ An diesem Abend sprang denn auch mit fünf zu zwei Einsen ein glatter Sieg für die Bremer Formation heraus.

Doch auch dieser Erfolg, der nichts am Gesamtsieg der Velberter Konkurrenz änderte, war kein Selbstgänger. Die Mannschaft musste sich diesen einzigen Bundesliga-Triumph hart erarbeiten. Mit großer Leidenschaft und viel Herzblut war sie fast schon aufs Parkett gestürmt. Man merkte ihr an, wenigstens hier zu Hause wollte sie zeigen, dass die Mannschaft zu Recht Weltmeister geworden ist. Die Formation riskierte alles, auch einen Fehler, aber am Ende hatte es zum Sieg gereicht, denn auch Velbert war nicht fehlerfrei. „Ein geiler Durchgang mit einem Scheiß-Fehler“, beschrieb Trainer Roberto Albanese den Saisonabschluss.

Keine Muße für Gespräche
Albanese, der am Sonntag um 6 Uhr schon wieder im Flieger zum Grand-Slam-Turnier in Bukarest saß, hatte nicht wirklich Muße, um über die abgelaufene Saison zu reden. Abhaken, weiter hart arbeiten, die junge, aber hoch talentierte Mannschaft weiterentwickeln, lauten seine Ziele. Allerdings gab der Trainer zu, dass er seine Choreografie „It‘s me“ zur deutschen Meisterschaft im November überarbeiten werde. Eine allzu verständliche Konsequenz, wenn der amtierende Bremer Weltmeister keine Akzeptanz im eigenen Verband findet.

Für Kapitän Kai Tausch, der für sein 75. Turnier ausgezeichnet wurde, war es ein versöhnlicher Abschluss. „Wir haben viel gelernt in dieser Saison, und am Ende mit einem Sieg in die Pause zu gehen, ist noch mal ein gutes Gefühl.“ Aus Niederlagen etwas Positives rausziehen, das war mit die größte Herausforderung für die Bremer Grün-Gold-Mannschaft. Die Sicherheit des Siegers der vergangenen zehn Jahre geriet in der gerade abgelaufenen Bundesligasaison mächtig ins Wanken.

Doch was lief anders als in den Jahren zuvor? Als gefeierter Weltmeister kehrte die Formation aus China zurück nach Deutschland. Dort wurde aber schnell klar, dass der Wind sich gedreht hatte. Die Pfiffe der Zuschauer beim Gewinn der deutschen Meisterschaft im November 2018 schienen zumindest einige Wertungsrichter hierzulande ins Grübeln gebracht zu haben. Vielleicht sollte doch mal jemand anderes gewinnen, nicht immer nur Grün-Gold. Ist ja wie in der Fußball-Bundesliga, immer siegen die Bayern.

Die Folge: Niederlage beim ersten Bundesligaturnier, dem Heimturnier der Velberter. Das wäre ja noch zu verkraften gewesen, doch nach den folgenden Bundesliga-Wettkämpfen wurde man das Gefühl nicht los, egal ob die Grün-Gold-Formation gut oder weniger gut tanzte, die Abwechslung an der deutschen Formationsspitze wurde gern gesehen. Den Rekordsieger aus Bremen mal austanzen, ihm die Flügel stutzen. Im Gegensatz zum Fußball, wo die Leistung der Bayern in Punkten und Toren sichtbar ist, spielen im Tanzsport viele Faktoren eine Rolle, die man nicht beeinflussen kann. So ist es unter anderem auch eine Frage des Geschmacks oder auch der inhaltlichen Ausrichtung der Choreografien.

So beeindrucken die Bremer mit ihrer anspruchsvollen und innovativen Choreografie, die aufgrund des enormen Schwierigkeitsgrads auch mal fehleranfällig ist. Ein ähnliches Konzept verfolgt die Trainerin Franziska Becker mit ihrer Formation aus Buchholz. Sehr kompakt, sehr tänzerisch. Am Sonnabend tanzte ihr Team ein furioses Finale – und wurde unverständlicherweise Vierter. Es hätte keinen in der Halle überrascht, wenn Buchholz nach seiner tollen Vorstellung Zweiter geworden wäre. Letztendlich aber wurden die Weichen für die Platzierungen offensichtlich früher gestellt. In dieser Saison punkteten die Choreografien, die es geschafft hatten, mit eingängiger Musik und wirkungsvollen Effekten Zuschauer und Wertungsrichter für sich einzunehmen. Möglicherweise aber sollte im deutschen Tanzsportverband mal darüber nachgedacht werden, ob im Formationssport wirklich alles vergleichbar ist.

Zur Sache: Weltklasse-Paare bei Dancing Superstars
Die Bundesliga der Formationen ist in Bremen beendet worden. Doch schon jetzt können sich die Tanzsport-Fans auf ein weiteres Highlight freuen. Vom 30. Mai bis 2. Juni treffen sich rund 4000 Tänzerinnen und Tänzer, Trainer und Wertungsrichter zum Dancing Superstars-Festival im Congress-Centrum. Eine Besonderheit ist Ausrichter und Veranstalter Roberto Albanese gelungen. Er hat es geschafft, internationale Wettkampfturniere zu integrieren. Das hatte der Grün-Gold-Trainer im vergangenen Jahr bereits angekündigt. „Damit werten wir die Veranstaltung noch mal mehr auf. Ein internationales Wettkampf-Turnier mit anschließenden Trainings-Workshops gibt es bislang schließlich nicht.“ Und nun treffen sich Weltklassepaare in der Standard- und Latein-Sektion. Mit dabei natürlich die besten Paare des Grün-Gold-Club, Timur Imametdinov und Nina Bezzubova sowie Zsolt Sándor Cseke und Malika Dzumaeva. Aber auch die Junioren I im Standard und Latein werden im Rahmen der Dancing-Highlights um Sieg und Niederlage kämpfen. „Auch hier haben wir diverse Paare am Start“, freut sich Club-Chef Jens Steinmann.

Wie schon in den Vorjahren haben namhafte Trainer für Workshops und Schulungsmaßnahmen ihre Zusage gegeben. Neben Roberto und Uta Albanese werden die beiden DTV-Bundestrainer Martina Wessel-Therhorn (Standard) und Horst Beer (Latein) dabei sein, auch Catia & Giordano Vanone und Colin James sowie viele weitere renommierte Weltklasse-Trainer. Das Besondere an den angebotenen Workshops in Bremen ist, dass nicht nur die Turnierpaare in Standard und Latein, Salsa, West Coast Swing oder Discofox angesprochen werden, sondern auch alle anderen Tanzbegeisterten die Gelegenheit haben, einmal mit Top-Trainern zu arbeiten.

Text: Ruth Gerbracht